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„Was
sind die besonderen Erfordernisse für die Definition des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks?
Gibt es spezielle kulturelle Anforderungen?“ |
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Beitrag
von Ruth Hieronymi MdEP zur Konferenz der französischen EU-Ratspräsidentschaft
am 17./18. Juli 2008 in Straßburg
1. Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk ist auf der Grundlage des Protokolls zum Vertrag von Amsterdam
in besonderer Weise zur Sicherung von Meinungsfreiheit, Informationsvielfalt,
Medienpluralismus, kultureller Vielfalt und sozialer Kohärenz verpflichtet.
2. Der Auftrag zur Information, Bildung und Unterhaltung erfordert vom
öffentlich-rechtlichen Rundfunk in besonderer Weise eine gleichgewichtige
Erfüllung dieser Programmfelder.
Seine Berichterstattung muss die unterschiedlichen Meinungen in der Bevölkerung
berücksichtigen, den gesamtgesellschaftlichen Dialog unterstützen
und eine unabhängige Meinungsbildung ermöglichen.
3. Durch die Einführung der digitalen und vor allem der Internet-Technologie
haben sich die Rahmenbedingungen für den Rundfunk und auch für
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dramatisch verändert.
Am 25. Januar 1999 haben die Kulturminister der EU-Mitgliedstaaten festgestellt,
dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk „eine bedeutende Rolle
dabei zukommt, der Öffentlichkeit die Vorteile der neuen audiovisuellen
Dienste und Informationsdienste sowie der neuen Technologien nahezubringen“.
Diesen Worten sind trotz der ständigen Mahnungen des Europäischen
Parlaments keine angemessenen Taten gefolgt. In fast allen Mitgliedstaaten
gibt es Schwierigkeiten mit der Definition und der Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks im digitalen Internet-Zeitalter. Die Folge ist zunehmender Spielraum
für die Entscheidungen des EuGH und der interpretierenden Mitteilungen
der EU-Kommission – obgleich die Zuständigkeit für diese
Fragen bei den Mitgliedstaaten liegt.
4. Das Europäische
Parlament hat seit dieser Zeit auf eine Modernisierung der EU-Fernsehrichtlinie
gedrängt, um den Rundfunkbegriff für Fernsehen im digitalen
Zeitalter zu klären und zu sichern. Am 11.12.2007 wurde die Richtlinie
für Audiovisuelle Mediendienste beschlossen und auf diese Wiese sichergestellt,
dass alle audiovisuellen elektronischen Dienste, linear und nicht linear,
die sich nach einem Programmschema richten, redaktionell verantwortet
werden und sich mit Bildung, Information und Unterhaltung an die Allgemeinheit
richten, unabhängig von der Übertragungstechnologie, europaweit
als Rundfunk zu behandeln sind. Es gilt damit für den Rundfunk weiterhin
das europaweite Medienrecht und nicht das reine EU-Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht.
5. Dringend
notwendig ist auch eine Aktualisierung der Entschließung der EU-Kulturminister
zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk von 1999.
Notwendig ist vor allem eine Entscheidung der Mitgliedstaaten
- zur Präzision des öffentlich-rechtlichen Auftrages auf nationaler
Ebene entsprechend der neuen digitalen Internet-Technologie, z.B. durch
einen Drei-Stufen-Test (D), einen Public value-Test (UK) oder ein anderes
Prüfverfahren.
- zur Berücksichtigung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks für die Sicherung der kulturellen Vielfalt entsprechend
der UNESCO-Konvention von 2007 über den Schutz und die Förderung
der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, in der in Artikel 6 Buchstabe
h die Notwendigkeit von
“Maßnahmen, die darauf abzielen, die Medienvielfalt zu erhöhen,
und zwar auch durch den öffentlichen Rundfunk“ genannt wird.
- zur Klärung
der rechtlichen Rahmenbedingungen, um den freien Zugang zu öffentlich
finanzierten Inhalten im Rundfunk durch umfassend interoperable technologische
Standards und kohärente urheberrechtliche Regelungen zu sichern.
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